Mittwoch, 6. Mai 2015

Luftpost mit Grusel-Faktor

Was ist denn da angeflattert gekommen? Luftpost mit Grusel-Faktor.
Nanu, was liegt denn da hinten auf der Weide? Irgendetwas Oranges. Beim Näherkommen erkenne ich: Es handelt sich um einen leeren Sack. Den hat wohl der Wind vom benachbarten Acker zu uns herüber geweht. Ich hebe ihn auf, um ihn in die Altpapiertonne zu werfen. Auf den Weg dorthin lese ich die Aufschrift: Saatgut für "Hybridmais" war in dem Sack. Was auch sonst? Seit die Biogas-Anlagen wie die Pilze aus dem Boden geschossen sind, wird hierzulande so viel Mais angebaut wie nie zuvor – Artenvielfalt adé!
Ab in die Tonne mit dem blöden Sack! Ich will ihn gerade zusammenknüllen, da entdecke ich den weißen Aufkleber mit einer ganzen Liste von Warnhinweisen. Das Saatgut ist nämlich, wie in der konventionellen Landwirtschaft üblich, mit einem Fungizid behandelt worden – "gebeizt" nennt man das –, um es resistent gegen Schimmelpilzsporen zu machen. Laut Wikipedia werden in Deutschland jährlich etwa 10.000 Tonnen Fungizide verkauft und im Pflanzenschutz eingesetzt. Dies entspricht etwa einem Viertel der Gesamtmenge an Pflanzenschutzmitteln.
Fungizide haben zweifellos entscheidend dazu beigetragen, dass es weniger Ernteausfälle gibt, aber ob sie für Menschen und Tiere wirklich so harmlos sind, wie die Saatgut-Produzenten beteuern? Wenn man die Warnhinweise liest, kann man durchaus daran zweifeln.
Hier die Warnhinweise im Wortlaut:
"Darf nicht in die Hände von Kindern gelangen. Bei der Arbeit geeignete Schutzkleidung und Schutzhandschuhe tragen. Von Nahrungsmitteln, Getränken und Futtermitteln fernhalten. Bei der Arbeit nicht essen, trinken, rauchen, Staub nicht einatmen. Berührung mit der Haut vermeiden. Abfälle und Behälter müssen in gesicherter Weise beseitigt werden. Bei Verschlucken sofort ärztlichen Rat einholen und Verpackung oder Etikett vorzeigen. Zur Vermeidung einer Kontamination der Umwelt geeigneten Behälter verwenden. Freisetzung in die Umwelt vermeiden. Besondere Anweisungen einholen/Sicherheitsdatenblatt zu Rate ziehen. Mittel und/oder dessen Behälter nicht in Gewässer gelangen lassen. Verschüttetes Saatgut sofort zusammenkehren und entfernen. Das behandelte Saatgut einschließlich enthaltener oder beim Sävorgang entstehender Stäube vollständig in den Boden einbringen."
Wer die Warnhinweise liest, könnte denken, dass der Sack
kein Saatgut, sondern pures Gift enthielt.
Kursios finde ich, dass man das Saatgut nicht in die Umwelt "freisetzen", aber in der Erde verbuddeln darf. Ich habe von Chemie nicht viel Ahnung, aber wenn ich den Aufkleber ohne den Sack gefunden hätte, wäre ich wohl kaum auf die Idee gekommen, dass sich die Warnhinweise auf Saatgut beziehen. Ich hätte vielmehr an einen üblen Gift-Cocktail gedacht, so etwas in der Art von Agent Orange, dem chemischen Entlaubungsmittel, das im Vietnam-Krieg zum Einsatz kam. Mir wird jedenfalls ganz mulmig zumute, wenn ich daran denke, dass derart behandeltes Saatgut nicht nur  beim Anbau nachwachsender Rohstoffe, sondern auch in der landwirtschaftlichen Lebensmittelproduktion zum Einsatz kommt. Im Bio-Anbau sind Fungizide übrigens lediglich in Form von Kupferpräparaten erlaubt, aber auch deren Verwendung ist nicht unumstritten.

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