Montag, 13. Januar 2014

Jäger geraten selbst ins Visier

Gut, dass nur das Kameraobjektiv und kein Gewehrlauf
auf diesen stattlichen Rothirsch gerichtet wurde. Foto: Inka
Auf unseren Sonntagstouren mit den Hunden kommen wir an Dutzenden von ihnen vorbei: Hochsitze, die den Jägern ihr blutiges Hobby komfortabler machen sollen. Außer bei Drück- oder Treibjagden würde heutzutage doch kaum ein Jäger mehr auf die Idee kommen, wie die Steinzeitmenschen den Spuren der Wildtiere zu folgen. Nein, stattdessen fährt der moderne, durch Übergewicht ohnehin in seiner Bewegung eingeschränkte Jäger mit seinem SUV bis unter den Hochsitz, quält sich die Leiter hoch und wartet dann dort oben, bis ihm Reh, Hirsch der Wildschwein direkt vor die Flinte oder Büchse läuft. Damit der Jäger nicht ohne Beute nach Hause zurückkehren muss, hilft er dem Jagdglück gerne etwas auf die Sprünge, indem er in Sichtweite des Hochsitzes einen Futterplatz mit Mais und Zuckerrüben anlegt – ungefähr so, als würde man ein paar Leute zum Abendessen einladen, um sie dann abzuknallen.
Ich hätte ja noch ein gewisses Verständnis für die Jagd, wenn die Jäger sie ausschließlich zur Fleischbeschaffung für den eigenen Bedarf betreiben würden. Ein Jäger, der konsequent auf jedes Fleisch aus Massentierhaltung verzichten und nur Fleisch von Tieren essen würde, die er selbst erlegt hat, hätte meinen Respekt verdient. Aber leider scheint es dieses Idealbild von einem Jäger nicht zu geben (falls doch, bitte melden!). Der Appetit auf Wildschwein, wie man ihn von Obelix kennt, ist heute kaum noch eine Motivation. Geld sparen lässt sich durch diese Art der Fleischbeschaffung  auch nicht. Wer die Kosten für die Jagdpacht, den Jagdschein und die ganze Ausrüstung zusammenrechnet,  kommt schnell auf eine Summe, die ausreichen würde, um davon täglich Rinderfilet kaufen zu können.
Zwar sind die Jäger aus Imagegründen dazu übergegangen, sich selbst als Naturschützer zu bezeichnen  – und wer schützt die Natur vor den Jägern? –, aber im Grunde genommen wird Jagd heutzutage doch vorrangig als prestigeträchtiges Hobby von Besserverdienern betrieben. Für Jagdreviere, in denen sich nicht nur Fuchs und Hase gute Nacht sagen, sondern auch kapitale Hirsche leben, werden Unsammen für die Pacht hingeblättert. Und wer sich kein eigenes Jagdrevier leisten kann, besorgt sich seine Trophäen auf andere Weise. Er bucht zum Beispiel ein Wochenende auf einem sogenannten "Jagdgut" – das sind Landhäuser mit großem Gehege drumherum, in denen Hirsche wie im Tierpark gehalten werden, um sie zahlungskräftigen Kunden vor den Hochsitz zu treiben. Der Kunde muss dann nur noch abdrücken, und kann vor seinen Freunden zu Hause mit einer ansehnlichen Trophäe protzen. Manche dieser "Jagdgute" – ich habe mir ein solches selbst einmal durch den zwei Meter hohen Zaun angeguckt – stammen noch aus der Nazizeit. Die Besitzer haben gewechselt, aber der Sinn und Zweck dieser Einrichtungen ist immer noch derselbe.
Aus der Nazizeit stammt übrigens auch die Jagdgesetzgebung. Sie wurde von Reichsjägermeister Hermann Göring 1934 als Reichsjagdgesetz in Kraft gesetzt und stimmt in wesentlichen Teilen mit dem Bundesjagdgesetz überein. Es ist also höchste Zeit, dass da mal etwas grundlegend überarbeitet wird. Und tatsächlich scheint jetzt, nach dem Urteil des Europäisches Gerichtshof für Menschenrechte (nicht für Tierrechte!) in Straßburg, wonach Grundstückseigentümer aus Gewissensgründen die Jagd auf ihrem Grund und Boden verbieten können, endlich eine Diskussion über den Sinn und Unsinn der Jagd in Gang zu kommen. Die Medien leisten ihren Beitrag dazu, indem sie in Dokumentationen Jäger und Jagdkritiker zu Wort kommen lassen. In der kommenden Woche werden sich gleich zwei Sendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen kritisch mit dem Thema Jagd befassen:
• Am Sonntag, 19. Januar, läuft von 14:40 bis 15:10 Uhr im ZDF in der Reihe "planet e." die Dokumentation "Jäger in der Falle". Wer am Sonntagnachmittag, so wie ich, etwas Besseres vorhat, als vor der Glotze zu sitzen, kann sich die Sendung natürlich auch im Internet anschauen.
• Am Mittwoch, 22. Januar, wird von 20:45 bis 21:15 Uhr im MDR-Fernsehen in der Reihe "Exakt - die Story" die Dokumentation "Gejagte Jäger – Zwischen Naturliebe und Blutsport" gezeigt.

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